Dr. Christian Rotta versteht sich als Anwalt der Vor-Ort-Apotheke. Für die Ausgabe 2/2021 des Magazins impresso des Südwestdeutschen Zeitschriftenverleger-Verbands (SZV) gab er Einblicke in Beruf und Berufung des Chefs der Mediengruppe Deutscher Apotheker Verlag sowie in Arbeit und Selbstverständnis eines intellektuellen Streiters.

 

 

Anwalt der Vor-Ort-Apotheke

Die Leidenschaft fürs geschriebene Wort begann in der Schulzeit – und ließ ihn nicht mehr los.  Aus dem Chefredakteur einer Schülerzeitschrift in den frühen 1970er Jahren wurde 20 Jahre später der Chef der Mediengruppe Deutscher Apotheker Verlag. Dr. Christian Rotta bereitet nun den Stabwechsel vor.

Bis heute ist Dr. Christian Rotta ein schreibender Geschäftsführer geblieben. Zu seinen ersten Publikationen als Oberschüler am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart zählte die Schülerzeitschrift das gesicht. Darin nahm der junge Chefredakteur kritisch das „Geschäft mit der Jugend“ in den Blick, rezensierte neu erschienene Bücher oder berichtete über Fußballturniere. Inhaltlich breit aufgestellt, würde man sagen. So wie der Deutsche Apotheker Verlag heute.

Anders als sein Großvater und Verlagsgründer, der Pharmazeut und Lebensmittelchemiker Dr.  Roland Schmiedel, und sein Vater, der Biologe Hans Rotta, ist der heutige Verlagschef Jurist. „Ich wollte immer beruflich unabhängig sein“, sagt der gebürtige Stuttgarter. Die akademische Ausbildung führte ihn – von einem Abstecher als Wissenschaftlicher Mitarbeiter nach Essen einmal abgesehen – quer durch Baden-Württemberg: vom Studium in Tübingen und Heidelberg, einem Zwischenstopp an der Verwaltungshochschule in Speyer bis hin zur Promotion in Konstanz. Doch der junge Rechtsanwalt blieb dem Verlag von Anfang an als Justitiar und Autor des Rechtsteils der Deutschen Apotheker Zeitung eng verbunden.

Sprung ins kalte Wasser

Der plötzliche Tod seines Schwagers und damaligen Geschäftsführers der Verlagsgruppe Dr. Wolfgang Wessinger im Jahr 1992 veränderte von einem Tag auf den anderen Rottas beruflichen Lebensweg. Er trat in die Geschäftsführung ein und übernahm das Amt seines Schwagers. „Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Mit mir trat Dr. Klaus G. Bauer, Apotheker in Essen und Mitherausgeber der Deutschen Apotheker Zeitung, in die Geschäftsführung ein – was sich für mich als absoluter Glücksfall herausstellte. Wir harmonierten hervorragend und lagen auch verlagsstrategisch auf ein und derselben Linie“, sagt Rotta. Damit blieb die pharmazeutisch-naturwissenschaftliche Expertise an der Spitze gesichert.

Heute umfasst die Mediengruppe Deutscher Apotheker Verlag zehn Verlage und Tochterunternehmen – im Jahr 1992 waren es noch vier. Die Verlagsgruppe deckt mit ihren Unternehmen sowohl den naturwissenschaftlichen als auch den geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich ab. Zu Letzterem gehört beispielsweise der traditionsreiche S. Hirzel Verlag, an dessen Anfängen die Herausgabe des Grimmschen Wörterbuchs steht. Der Behr’s Verlag mit dem Schwerpunkt Lebensmitteltechnologie, Lebensmittelchemie und Lebensmittelrecht deckt hingegen einen Bereich ab, der strukturell und in seiner regulatorischen Komplexität einige Gemeinsamkeiten mit dem Arzneimittelbereich aufweist.

Für Rotta war es eine strategische Entscheidung, einerseits den pharmazeutischen Kernbereich zu stärken und auszubauen, andererseits das inhaltliche Spektrum und Portfolio der Mediengruppe zu erweitern: „Sich als Fachverlag ausschließlich auf den pharmazeutischen Bereich zu beschränken, ist nicht ohne Risiko. Apotheken und unser Arzneimittelversorgungssystem sind in hohem Maße von politischen Entscheidungen abhängig. Ein – falscher – Federstrich des Gesetzgebers kann für die Branche, und damit auch für uns als Verlag, weitreichende Folgen haben. Deshalb sind wir bemüht, alle unsere Verlagsbereiche gleichermaßen zu stärken. Unsere Diversifizierung dient der Risikostreuung.“

Die Mediengruppe beschäftigt heute 360 Mitarbeiter, vor allem in Stuttgart und Gerlingen. 1992 waren es noch 120 Beschäftigte. Geblieben ist trotz Diversifizierung der Schwerpunkt auf Pharmazie, Medizin und Naturwissenschaften. Rund 70 Prozent ihres Umsatzes erzielte die Gruppe im Jahr 2020 in diesem Bereich. „Wir haben in unserem Kerngeschäft den Anspruch, ein allumfassendes Angebot für Apothekerinnen und Apotheker, Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und andere Apothekenmitarbeiter zu bieten. Das gilt gleichermaßen für pharmazeutisch-fachliche wie regulatorische Themen. Dabei sind wir mit allen Medienformaten am Markt vertreten“, sagt Rotta.

Der Verlag mit seinem „DAZ-Dreigestirn“ – der donnerstags erscheinenden Deutschen Apotheker Zeitung, der montags im Tageszeitungsformat verbreiteten Apotheker Zeitung und dem täglich aktualisierten Branchendienst DAZ.online – ist heute der Platzhirsch unter den pharmazeutischen Medienhäusern und Informationsanbietern in Deutschland. Auch mit der PTAheute und dem Online-Portal PTAheute.de ist der Verlag die Nr. 1 bei Zeitschriften, die von Pharmazeutisch-technischen Assistentinnen abonniert werden.

Anwalt der Apotheke

Als „schreibender Geschäftsführer“ versteht sich Rotta auch als Anwalt der Vor-Ort-Apotheke. „Wir bewegen uns nicht in einem meinungslosen Raum, sondern wissen, auf welcher Seite der Barrikade wir stehen. Ich und meine Kolleginnen und Kollegen im Haus sind von der Qualität des deutschen Apothekensystems überzeugt.“ Erfolgreich könne man nur sein, wenn man sich mit seiner Zielgruppe identifiziere, ergänzt Rotta. Denn die Herausforderungen sind groß für die derzeit noch knapp 19.000 Apotheken im Land. Ihre Zahl sinkt seit Jahren. Der Versandhandel mit Medikamenten und die anstehende Einführung des elektronischen Rezepts ab 2022 setzen die Branche unter Druck.

Großes pharmazeutisches Know-how bleibt für jeden Apotheker ein Muss, gefordert sind aber auch betriebswirtschaftliches Verständnis und das Wissen um die rechtlichen  Rahmenbedingungen rund um die Apotheke. Bei Letzterem ist Rotta in seinem Element. Schon seit seiner Zeit als Rechtsberater des Verlags ist er Herausgeber und Verfasser des Kommentars  zur Apothekenbetriebsordnung (Cyran/Rotta). Im Jahr 2004 gründete er die Zeitschrift Arzneimittel&Recht. Auf der Branchenveranstaltung Interpharm, die die Mediengruppe alljährlich ausrichtet, leitet Rotta den ApothekenRechtTag. „Als Verlag müssen wir verständlich kommunizieren, welche Regularien in der Apothekenpraxis relevant sind. Das ist für uns und mich Beruf und Berufung in einem.“

USP der Apotheke stärken

Für die Vor-Ort-Apotheke ergreift Rotta nachdrücklich Partei. Die Verlagsangebote sollen den  USP des Apothekers stärken: seine fachliche Qualität vor Ort und seine soziale Funktion als Daseinsversorger statt bloßer Verkäufer pharmazeutischer Produkte. Mehrwert für die Nutzer sollen alle Verlagsmedien bieten. Dazu zählen auch die Online-Angebote, die der Verlag in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Eigengründung apotheken.de war eine Reaktion auf den niederländischen Online-Versender DocMorris. Die Inhalte der Plattform richten sich an Apothekenkunden, gleichzeitig können Apotheken sich und ihre Angebote auf dem Portal präsentieren und Inhalte in das eigene Online-Angebot integrieren. Heute nutzt rund ein Drittel aller Apotheken diese Möglichkeiten.

Das Deutsche Apothekenportal hingegen trägt vorrangig den regulatorischen Herausforderungen Rechnung, denen Apotheken bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gegenüberstehen. Beispielsweise im Zusammenhang mit den einschlägigen Rabattverträgen oder bei der Frage der Abgabefähigkeit verordneter Packungsgrößen. Werden hier nicht alle Erfordernisse penibel genau eingehalten, drohen der Apotheke hohe finanzielle Einbußen, weil die Krankenkassen eine Kostenerstattung verweigern (sog. Retaxationen auf Null). Auch Pharmaunternehmen müssen komplexe Rechtsvorschriften beachten, um ihre Produkte erfolgreich vermarkten zu können. Hier bietet das Deutsche Apothekenportal seinen Nutzern u.a. Arbeitshilfen, Newsletter oder Schulungen und unterstützt Apotheken bei rechtlichen Konflikten mit Krankenkassen.

Alle Geschäftsfelder stärken und ausbauen

Es sind vier Säulen, auf denen das Geschäft der Mediengruppe heute aufbaut: Digitalisate (Software, Datenbanken, Web-Angebote, Online-Seminare, apotheken.de);  Bücher/Loseblattwerke; Abonnement-Zeitschriften; Anzeigen (Print/Online). „Wir müssen alle Säulen stärken und ausbauen“, sagt Rotta. 2020 war ein erfolgreiches Jahr für die  Mediengruppe. Der Wachstumstrend bei digitalen Angeboten setzte sich deutlich fort. Als systemrelevante Daseinsvorsorger, gerade in Zeiten der Pandemie, hatten Apotheken einen großen Bedarf an hochwertigen redaktionellen Inhalten. Für 2021 sind weitere digitale Projekte geplant, u.a. mit BiblioScout eine e-Library mit digitalen Buchangeboten für Bibliotheken.

Mittlerweile erzielt die Mediengruppe rund 40 Prozent ihres Umsatzes mit Digitalisaten. Eine der großen Herausforderungen von Verlagen sei es, so Rotta, die gesamte Klaviatur der  verschiedenen Medienformate bespielen zu können – von der Karteikarte über das gedruckte Buch bis zu Datenbanken, Online-Angeboten und anderen Digitalisaten. Selbst das längst tot gesagte Loseblattwerk hat aus Nutzersicht offensichtlich immer noch seine Existenzberechtigung. Auch die DVD habe im Bereich des Gesundheitswesens aufgrund des besonders sensiblen Datenschutzes immer noch ihren Sinn. „Wir schauen genau hin, welcher Inhalt zu welchem Mediengenre passt und mit ihm kompatibel ist“, sagt Rotta.

Weiter ausgebaut werden soll in den nächsten Jahren auch das Angebot an Webinaren und Online-Schulungen. Und auch die Interpharm erhielt 2021 ein digitales Gesicht. Mit einem eigenen Studio in Gerlingen ist der Verlag in der Lage, selbst anspruchsvolle digitale Veranstaltungen zu realisieren.

Stabwechsel zum Jahresende

Die Zukunft hat also begonnen. Doch was bedeutet die Tradition eines Familienunternehmens für Rotta? Der Verlagschef wehrt sich gegen eine zu starke Mystifizierung. Ein  Familienunternehmen bringe dann Vorteile, wenn es primär inhaltsgetrieben sei und längerfristig denke als ausschließlich renditeorientierte Kapitalgesellschaften. Dies, so Rotta, sei der Trumpf im Wettbewerb mit Großunternehmen. Und inhaltsgetrieben soll die Mediengruppe bleiben, wenn Rotta sich jetzt aus dem operativen Geschäft zurückzieht. Sein Nachfolger wird sein Neffe und Pharmazeut Dr. Benjamin Wessinger, der bereits der Geschäftsführung angehört.

Auch die Tage der beiden Verlagssitze in Stuttgart (Foto) und Gerlingen sind gezählt. In zwei Jahren werden die Mitarbeiter in ein neues Gebäude auf dem Stuttgarter Killesberg umziehen.

 

 

Ganz zurückziehen wird sich Rotta jedoch nicht. Weiterhin wird er verlegerisch das  gesundheitsrechtliche Programm des Deutschen Apotheker Verlags und der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft Stuttgart betreuen, bleibt der verantwortliche Herausgeber der Zeitschrift Arzneimittel&Recht und verantwortet auch in Zukunft die Planung und Durchführung des ApothekenRechtTags. Außerdem wird Rotta den weiteren Ausbau des Sachbuchbereichs beim Hirzel Verlag verlegerisch begleiten. Ansonsten werde er sich jedoch auf seine Funktion als Gesellschafter der Mediengruppe beschränken: „Das operative Geschäft machen dann andere!“, so Rotta.

Bei der Unternehmensstrategie empfiehlt Rotta Kontinuität. „Unsere dezentrale Struktur mit starken Tochterunternehmen hat sich bewährt. Sie sichert Flexibilität und Identifikation.“ Gleichzeitig müsse es in Zukunft noch mehr Transparenz und Durchlässigkeit zwischen Standorten, Abteilungen und Redaktionen geben. Da die Komplexität für Verlage weiter zunehme, müsse bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Kompetenz gestärkt werden, bei ihren Tätigkeiten die richtige Balance zwischen Standardisierung und Einzelfalllösungen zu finden.

Verlage müssten vor allem produktbezogen handeln und lernen, dabei auch mit Ambivalenzen umzugehen. In Zeiten vielfältiger Themen und Medienformate heißt dies für Rotta: „Die Kompetenz des Mitdenkens, auch des Improvisierens und Ausprobierens, ohne sich zu verzetteln oder l’art pur l’art zu betreiben, ist heute wichtiger denn je.“ Das scheint zu funktionieren: 18 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten trotz Corona im Vorjahr eingestellt werden. Und kürzlich landete die Mediengruppe des Deutschen Apotheker Verlags bei einem Mitarbeiter-Ranking der besten Arbeitgeber bei den Fachverlagen auf dem zweiten Platz.

Zum Abschluss nennt Rotta noch ein Lebensmotto: „Es gibt viele Wege zum Glück.“ Der Verlagschef hat Mut und Hartnäckigkeit bewiesen, neue Wege zu gehen. Die Mediengruppe, so konnte er seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Jahresende 2020 mitteilen, stehe auf einem ökonomisch festen Fundament und könne voll Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein in die Zukunft schauen. Dr. Christian Rotta: ein glücklicher Mensch.

17 Fragen an Dr. Christian Rotta

(Fotovermerk: Mediengruppe DAV)

 

 

 

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